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Freiburger StraßenSchule

Ein Rettungsanker für obdachlose Kinder und Jugendliche

Schätzungen zufolge leben rund 32.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland auf der Straße. Viele von ihnen sind verdeckt obdachlos und werden dadurch von staatlichen Hilfsmaßnahmen nicht erreicht. Die Freiburger StraßenSchule ist ein Rettungsanker für einige von ihnen. Die Mitarbeiter helfen den jungen Menschen in ihrer ausweglosen Lage und dienen als eine Ersatzfamilie, die ihnen Stabilität, Unterstützung und ein Wohnzimmer bietet.
Eine von ihnen ist Janice*. Vor fünf Jahren taucht das zierliche Mädchen zum ersten Mal in der Tagesanlaufstelle der Freiburger StraßenSchule auf. Sie schläft zu diesem Zeitpunkt unter Brücken und im Wald. Aufgewachsen in einem Elternhaus mit körperlicher und seelischer Gewalt ergreift Janice mit 12 Jahren die Flucht. Nach einem Aufenthalt in einer Pflegefamilie schafft sie ihr Abitur – es scheint bergauf zu gehen. Doch die Gespenster ihrer Kindheit holen sie ein und sie landet wieder auf der Straße. Die traumatischen Erfahrungen, die sie durch die Obdachlosigkeit und in ihrem Elternhaus gemacht hat, verarbeitet sie auf ihrem Skizzenblock im Kreativraum der Tagesanlaufstelle. Zu den Mitarbeitern der Freiburger StraßenSchule fasst Janice nach und nach Vertrauen. 
„Wir brauchen die StraßenSchule und ihre Mitarbeiter. Sie sind für mich wie ein Vater- und Mutterersatz.“
Janice
Sozialpädagogin Sabine Risch ist eine von sieben Mitarbeitern, die Janice betreuen. „Zu uns kommen junge Menschen wie Janice, die sich in einer scheinbar ausweglosen Situation befinden, die ihr Zuhause und ihr Vertrauen zu Mitmenschen verloren haben. Sie haben häufig kein funktionierendes Familiensystem und wählen uns als ihre Ersatzfamilie." Ob bei Entscheidungsfindungen, bürokratischen oder gesundheitlichen Fragen – die Mitarbeiter der Freiburger StraßenSchule stehen ihnen mit Rat zur Seite. Die Tagesanlaufstelle, die unter der Woche täglich von 13 bis 17 Uhr geöffnet hat, wird für viele obdachlose junge Menschen zu einer Art Zuhause. Hier treffen sie auf Leidensgenossen, die zu Freunden werden. Auf junge Menschen, die wie sie vor ihrem Elternhaus auf die Straße flüchteten, weil sie sich in ihrer Not nicht anders zu helfen wussten. Sie bilden eine Schicksalsgemeinschaft, tauschen sich aus.
Felix*, 32, hat dank der Hilfe der Sozialpädagogen den Ausstieg aus der Obdachlosigkeit geschafft. Auch bei ihm beginnen die Erzählungen im Elternhaus: „Meine Mutter wollte aus mir einen zweiten Mozart machen.“ Anstatt mit anderen Kindern zu spielen, musste Felix stundenlang Klavierspielen üben. Nachdem die Mutter ihren Job als Konzertpianistin verloren hatte, verschlimmerte sich ihr psychischer Zustand. Mit elf kommt Felix in ein Kinderheim. Mit 18 Jahren ist er auf sich alleine gestellt. Er wird spielsüchtig, verliert seine Wohnung und seinen Ausbildungsplatz als Schreiner, strandet auf der Straße und macht Couchsurfing.
Durch einen Streetworker erfährt Felix 2009 von der Freiburger StraßenSchule – der Wendepunkt. „Im jugendlichen Sumpf des Lebens habe ich hier wieder festen Boden unter den Füßen bekommen.“ Die Begleitung und die Unterstützung der Sozialarbeiter seien für ihn wie Steine gewesen, die ihn Schritt für Schritt aus dem Treibsand herausführten. „Hier lebt nicht jeder sein Leben. Wenn man hierher kommt, dann ist man eine Gemeinschaft. Durch die Gemeinschaft wächst man." Felix hat einen jahrelangen Kampf gegen sich selbst hinter sich – und ihn gewonnen. Heute arbeitet er als Facharbeiter bei einem Heizungsinstallateur.
Die Freiburger Straßenschule ist viel mehr als ein Ort, an dem obdachlose Jugendliche sich aufwärmen und essen können. Die Mitarbeiter akzeptieren die Jugendlichen, wie sie sind, zeigen echte Anteilnahme und schaffen eine Art Wohnzimmer für die Wohnungslosen. Sozialpädagogin Sabine Risch ergänzt: „Wir sind Eltern, Geschwister und Großeltern zugleich.“

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