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Vom Arzttermin bis zum Bankkonto
Wertvolle Hilfe auf dem Weg in die Selbständigkeit

Vom Arzttermin bis zum Bankkonto: Auf dem Weg in die Selbständigkeit

Wie sieht ein gutes Rüstzeug aus, um auf eigenen Beinen zu stehen? SOS-Kinderdorfmitarbeiterin Jennifer Steinhöfel hilft den Jugendlichen auf dem Weg in die Selbständigkeit.

In den betreuten Jugend-WGs lernen die Jugendlichen schon früh, Eigenverantwortung für ihr Leben

Dazu gehört vieles, was Kinder aus einem behüteten Zuhause noch nicht einmal mit über 20 Jahren beherrschen: Ein eigenes Bankkonto zu führen, alle Belege über Ausgaben fein säuberlich abzuheften, sich selbst um Vorsorgetermine beim Arzt zu kümmern, eigenständig kochen, waschen oder das Bad putzen. Begleiten, aber nicht hinterherräumen oder übernehmen, das ist die Philosophie bei der Betreuung. „Die Jugendlichen sollen lernen, Eigenverantwortung zu übernehmen“, sagt Steinhöfel. „Wenn sie feiern gehen möchten, müssen sie selbst schauen, wann der letzte Bus wieder zurück fährt.“ Nur zwei feste Grundregeln gäbe es im Haus: Um halb sieben sitzt man gemeinsam beim Abendessen und ab zehn Uhr abends sind unter der Woche alle auf ihren Zimmern.

Umgang mit dem Geld ist ein wichtiges Ziel

„Die größte Herausforderung ist es, Realität reinzubringen“, sagt Steinhöfel. „Was kostet das Leben? Was ist es für ein Aufwand, alleine zu leben? Viele sind auch einfach noch sehr jung und nicht reif genug für den Absprung in die Selbstständigkeit. Ich selbst bin erst mit 23 Jahren bei meinen Eltern ausgezogen.“ Christin lässt sich ihr Taschengeld gestaffelt auszahlen, alle zwei Wochen 50 Euro, damit sie ihre Ausgaben besser kontrollieren kann. Bevor sie endgültig aus der SOS-Wohngemeinschaft auszieht, wird sie noch an einem letzten Testlauf teilnehmen. Das Ziel: Autark von der WG-Gruppe alles eigenständig zu erledigen. Ein Auffangnetz greift, wenn der Test den Jugendlichen überfordert.

Ein stabiles soziales Netzwerk hilft

Es ist schwierig und anstrengend und wir fordern viel“, sagt Steinhöfel. „Aber wenn sie ausgezogen sind, haben sie ein gut geschnürtes Päckchen, das ihnen hilft, sich zurechtzufinden und nicht aus allen Wolken zu fallen.“ Neben den praktischen Tipps fürs eigenständige Leben unterstützen die Betreuer die Jugendlichen dabei, ein stabiles soziales Netzwerk aufzubauen. „Allein sein – damit haben nach dem Auszug auch viele zu kämpfen. Niemanden zu haben, den man um Rat fragen, mit dem man sich schnell mal austauschen kann.“ Die Wohngemeinschaft ist ihr sozialer Knotenpunkt. „Wir sagen alle jetzt schon: Wenn wir ausziehen, halten wir Kontakt.“ Am liebsten würde Christin wieder in eine WG ziehen, möglichst nahe an ihrem jetzigen Zuhause, vielleicht im Nachbarort. Auf eigenen Beinen zu stehen, ist eine Perspektive, die ihr auch Sorgen bereitet. „Ich habe schon Angst, viel falsch zu machen.“
Alleingelassen werden die Jugendlichen nach ihrem Schritt in die Selbständigkeit bei SOS-Kinderdorf nicht. „Allen Care Leavern geben wir unsere privaten Handynummern. Wir haben ganz viele Ehemalige, die sich bei Fragen bei uns melden oder auch öfter auf einen Café vorbeikommen. Wenn man will, gibt es diese Möglichkeiten.“

Eine weitere Möglichkeit: ambulante Betreuung von SOS-Kinderdorf

Für über 18-Jährige gäbe es zusätzlich auch noch ein weiteres Auffangangebot, wenn sie noch nicht reif für ein Leben auf eigenen Beinen seien. Die Jugendlichen können, wenn es freie Kapazitäten gibt, in eigene Apartments oder Wohngruppen einziehen, die noch ambulant von SOS-Kinderdorf betreut werden. Verselbständigungswohnen (VSW) nennt sich das Angebot. „Die Hilfe läuft nicht aus“, sagt Sonja Oelfke vom SOS-Kinderdorf Worpswede. „Dort gibt es im ambulanten Bereich Fachkräfte, die den Betreuten zum Beispiel dabei helfen, Bewerbungen zu schreiben oder Anträge auszufüllen.“ Wenn Kapazitäten frei sind, könnte auch Christin in Absprache mit dem Jugendamt dort wohnen.

Auch Jennifer Steinhöfel hat einen Traum

Jennifer Steinhöfel und ihr Team würden das Angebot für Care Leaver gerne noch weiter ausbauen. „Wir schwärmen und träumen von einem weiteren Haus mit acht festen Plätzen, separaten Anliegerwohnungen und einem großen freien Beratungszentrum für Ehemalige“, sagt die SOS-Erzieherin. „Ein Unterschlupf, in dem jemand auch im Notfall ein Bett für die Nacht bekommt, wenn er nicht weiß, wohin. Ob das möglich ist, steht noch in den Sternen.“
Ikon

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