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Perspektiven eines Arbeitsalltags mit Kindern

Julian gibt Einblicke in sein Praktikum in der Kindertagesstätte des SOS-Mütterzentrums Neuaubing. Wir haben ihn zum Interview getroffen.
Julian, was bei Dir sehr spannend ist, ist dass Du das Mütterzentrum schon länger kennst – fast dein ganzes Leben lang. Wie kommt das?
Ich war hier schon als kleines Kind – meine Mutter war im Mütterzentrum aktiv, als Mutter sozusagen. Später war ich dann als Schulkind in der Schulkinderbetreuung von der 2. bis zur 4. Klasse. Und jetzt mache ich hier mein Vorpraktikum für die Ausbildung zum Erzieher.
Welche Erinnerungen an das Mütterzentrum hast Du genau?
Ich kann mich noch an die Kaffeestube drüben erinnern, da gab es ein kostenloses Angebot der Kinderbetreuung für Mütter, die entweder Zeit in der Kaffeestube verbringen oder einkaufen gehen wollten. Da hat meine Mutter auch selbst gearbeitet. Damals sah das aber noch ganz anders aus, inzwischen hat sich einiges verändert.
Was hat Dich motiviert, genau hier Dein Praktikum zu machen? War es der persönliche Hintergrund?
Ich habe schon vorher Praktika gemacht, und hatte mich eigentlich erst in der Kinderkrippe einer anderen Einrichtung beworben. Dort war ein Vorpraktikum aber nicht möglich, so bin ich darauf gekommen, es hier zu probieren. Erst war ich skeptisch, da ich wusste, dass ich teilweise mit Menschen zusammenarbeiten werde, die mich früher selbst betreut haben. Aber jetzt bin ich richtig froh, hier zu sein, weil es ein ganz anderes Arbeiten ist – viel freier. Außerdem sind die Kinder vom Alter her gemischt und eben nicht nur Krippenkinder.
Was macht es aus, bei SOS-Kinderdorf zu arbeiten? Was ist in anderen Einrichtungen anders?
Generell ist keine Einrichtung wie die andere, weil es überall verschiedene Menschen gibt, die unterschiedlich zum Angebot beitragen. Sowohl die Kinder als auch die Pädagogen sind überall anders. Aber was ich sehr toll finde ist, dass es hier besonders kollegial ist. Das habe ich bisher in keiner anderen Einrichtung erlebt – dass man so gut zusammenarbeitet, dass es eben so zusammenpasst. Das Team spielt bei SOS eine große Rolle.
Kannst Du Dir auch vorstellen, hier zu bleiben oder wieder zurückzukommen?
Ich kann mir sehr gut vorstellen, wieder herzukommen, auch wenn es wichtig ist, unterschiedliche Einrichtungen kennenzulernen.
Vermisst du männliche Kollegen?
Für die Kinder ist es auf jeden Fall gut, dass auch ein Mann in der Einrichtung ist. Nicht zuletzt, weil viele Kinder nur bei ihren Müttern aufwachsen, wenn die Eltern beispielsweise geschieden sind. Dadurch ist es gut, wenn Kinder einen Mann in ihrem Alltag wahrnehmen können. Außerdem kann man den Kindern Aktivitäten bieten, die sie mit einer Erzieherin vielleicht weniger machen wie z.B. Fußball spielen. Ich fände es generell gut, wenn mehr Männer in einen sozialen Beruf gehen würden.
Gibt es die Möglichkeit, Eure eigene Arbeit im Team zu reflektieren? Wie kommen die vielen Angebote, die Ihr mit den Kindern macht, zustande?
Ja, wir haben jede Woche 1 ½ bis 2 Stunden Teamsitzung. Da sprechen wir über alles, was war und was geplant wird. Was das Programm angeht, bin ich selbst sehr davon fasziniert, wie abwechslungsreich es hier ist. Ich bin eben noch in der Ausbildung und noch nicht so geschult, aber ich sehe bei meinen Kolleginnen, wie sie sich in Büchern oder im Internet informieren und wie viele Möglichkeiten für die Kinder daraus entstehen. In der Regel entwickeln ein bis zwei Erzieherinnen zusammen ein Angebot und besprechen sich dazu im Voraus.
Viele Kinder haben einen Migrationshintergrund. Gibt es manchmal kulturelle Barrieren im Umgang mit diesen Kindern?
Kulturelle Barrieren gibt es schon. Zum Beispiel wird Kindern aus Ländern des Nahen Ostens oft anerzogen, Erwachsenen nicht in die Augen zu schauen. Dabei ist es bei uns selbstverständlich, dass uns die Kinder anschauen sollen, wenn wir mit ihnen reden oder wenn man sogar mit ihnen schimpfen muss. Doch eigentlich darf das Kind das nicht. In solchen Situationen muss man also sehr aufpassen, dass man es nicht dazu zwingt, und dass man hier keine Grenzen übertritt. Da ist dann auch der Austausch mit den Eltern wichtig, um solche kulturellen Unterschiede zu lernen und sich richtig zu verhalten.
Wie findet die Zusammenarbeit mit den Eltern statt? Gibt es Elterngespräche, sprecht Ihr sie an, wenn ein Kind auffällig ist? Wie werden Eltern konkret in der Erziehung ihrer Kinder unterstützt?
Ja, natürlich. Wir haben regelmäßig Elterngespräche, in denen Probleme besprochen werden oder wir den Eltern Tipps geben, wie man ein Kind fördern kann, das einen Entwicklungsrückstand hat. Oder wenn etwas in der Kita vorgefallen ist ... dann wird das auch den Eltern erzählt, damit sie zum einen Bescheid wissen und damit sie zum anderen etwas mehr darauf achten.
Seid Ihr für besondere Problemfälle geschult?
Wenn Kinder zu Hause schlecht behandelt werden, gibt es dafür Anzeichen. Wir versuchen, solche Fälle zu erkennen und dagegen zu arbeiten. Aber eine Leitlinie kann man in dem Beruf generell schwer anwenden, denn man hat mit Menschen zu tun und Menschen sind und handeln unterschiedlich.
Arbeitet Ihr nach bestimmten pädagogischen Grundsätzen? Gibt es bestimmte Regeln im Umgang mit den Kindern?
Wir haben ein Konzept, das jetzt fertig gestellt wurde, und danach wird gearbeitet. Wir wollen versuchen, dass die Kinder so selbständig wie möglich werden. Es ist ganz wichtig, dass sich ein Kind zu einem selbständigen Menschen entwickelt und gleichzeitig auch selbstbewusst wird. Damit fangen wir auch schon bei den ganz Kleinen an. Die sollen beispielsweise ihren Teller selbst abräumen oder sich selbständig anziehen, bevor wir rausgehen. Den ganz jungen unter ihnen gehen wir schon auch zur Hand, aber nur so lernen sie, das Ganze irgendwann auch alleine machen zu können.
Wenn die Kinder älter werden und gehen ... fällt es schwer, sich von ihnen zu trennen? Gibt es Kinder, zu denen man einen besonderen Kontakt aufgebaut hat?
Ich selbst habe noch nicht erlebt, dass ein Kind gegangen ist – eher war ich es, der am Ende eines Praktikums gehen musste. Aber ich sehe das bei den anderen Erzieherinnen, zum Beispiel bei Silvia, die seit zehn Jahren hier arbeitet. Die Kinder, die jetzt im Hort sind, kommen oft herunter und besuchen sie, halten also den Kontakt.